Das European Accessibility Act (EAA) tritt zum Juni nächsten Jahres in Kraft. Nach diesem Gesetzt müssen in Deutschland und Europa die meisten digitalen Produkte und Dienstleistungen barrierefrei sein und der WCAG 2.1 Stufe AA entsprechen. Konkret betrifft dies alle Websites und Apps in den Bereichen E-Commerce, Travel und Bankwesen.
Der Grund bzw. die Intention hinter dem Gesetz ist relativ klar, man möchte es allen Menschen ermöglichen den Zugang zu Informationen, Produkten und Dienstleistungen gleichermaßen zu ermöglichen. Aus meinem beruflichen Kontext heraus begleitet uns dieses Thema bereits seit einigen Jahren – auf Grund des nun in Kraft tretenden Gesetzes nimmt das Thema in den letzten Wochen bzw. Monaten aber noch weiter an Fahrt auf. Unternehmen müssen sich und ihre Webauftritte darauf vorbereiten. Barrierefreiheit ist nicht nur ein technischen Thema, sondern geht noch weiter darüber hinaus. Bereits bei der Content-Erstellung sollte man berücksichtigen, dass dieser Content für Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen zugänglich und funktional sein sollte. Ein sehr komplexes Thema, wofür es mittlerweile auch speziell geschulte Spezialisten gibt.
Um so mehr beeindruckt es mich, wenn sich die Barrierefreiheit über die digitalen Touchpoints hinweg durchsetzt. Eine Website aus dem Bereich Travel soll zukünftig gesetzlich dazu angehalten sein die Informationen zu einem Produkt oder einer Dienstleistung zugänglich für alle bereitzustellen – und es allen ermöglichen diese Dienstleistung auch zu buchen. Allerdings gibt es keine Richtlinie, ob das Produkt selbst dann barrierefrei sein muss.
Ehrlich gesagt, hab ich mir in meiner Bubble bisher darüber auch noch nicht so viele Gedanken gemacht – bis vor 1 Woche. Wir waren für unseren Roadtrip auf der Suche nach einem kurzfristig verfügbaren Campingplatz in der Nähe von Venedig. Bereits seit Jahrzehnten ist der ADAC im Bereich Camping einer der angesehensten Campingführer. Entsprechend greife ich auf die Camping24 App des ADACs zurück. Basierend auf ADAC und Besucher Empfehlungen nehmen wir Kontakt mit den ersten Campingplätzen in der Region auf. Nach etwas 5 frustrierenden Absagen, gehen wir auf Quantität. Entsprechend suche ich die E-Mail Adressen alle Campingplätze in dieser Region heraus und wir schreiben eine Sammelmail an alle. Und können dann zwischen diesen Rückmeldungen auswählen. So war die Idee, allerdings haben wir nur eine positive Rückmeldung bekommen – entsprechen haben wir ohne weitere Sichtung zugesagt. Schließlich sind wir nur 3 Tage am Meer. Anders wäre es sicherlich, wenn wir einen 2 Wöchigen Urlaub gebucht hätten. Entsprechend waren wir gespannt, da dieser Campingplatz in der App gar keine ADAC Bewertung hatte – und auch nur 2 Besucherbewertungen.
Der Campingplatz Villagio San Paolo https://www.villaggiosanpaolo.com/de ist auf den ersten Blick ein kleiner, süßer Campingplatz auf dem man definitiv einige schöne Tage verbringen kann. Auf den zweiten Blick stellt man aber fest, dass hier etwas besonders ist – denn Barrierefreiheit bezieht sich hier nicht nur auf das digitale Produkt, sondern zieht sich durch alle Bereiche des Campingplatzes. Der Campingplatz ist Mitglied in „SOZIAL-INKLUSIVER TOURISMUS VENEZIEN“ seit 2017.
Dies äußert sich dadurch, dass es vor dem Zugang zum Strand neben dem Schirmverleih auch einen Verleih von speziellen Strandgeräten gibt, die es Menschen mit Einschränkung ermöglichen einen problemlosen Zugang zum Strand zu bekommen. Auf Bedarf bekommt man einen kleinen Holzzugang zu seiner Liege gelegt. Dieses Thema ist natürlich aus Inklusionssicht extrem hilfreich – aber meiner Meinung nach auch darüber hinaus. Auch Eltern mit einem Kinderwagen haben hiervon dankenswerter Weise Gebrauch genommen.
Auch entsprechend zugängliche Toiletten waren am Strand verfügbar. Auf dem Campingplatz gab es neben dem regulären Personal noch einige Volontäre, die als zusätzliches Hilfspersonal für verschiedene Aufgaben bereitstand. Das Angebot auf dem Campingplatz hat mich wirklich begeistert – und finde ich mehr als sinnvoll, da hierdurch verschiedensten Personengruppen der Zugang zum Meer und auch ein entspannter Urlaub ermöglicht wird.
Neben den EAA Verordnungen für Websites und Apps fände ich es mehr als sinnvoll, wenn in Campingführern diese Eigenschaften klarer herausgestellt werden und mit in die Bewertung eines Platzes eingehen. Sicherlich ist meine Erfahrung hier kein repräsentatives Beispiel, allerdings wird die Bewertung dem Campingplatz in keinem Fall gerecht. Barrierefreiheit ist ein Thema was uns alle angehen sollte – und nicht nur diejenigen, die es direkt betrifft.